"Bahak" - Anja Bohnhof
Revolver Publishing, Berlin, 2013 ISBN: 978-3-8689-5313-8, Preis: 35,00 Euro (deutsch/englisch)
Bahak, 2012
Die bengalische Bezeichnung für Lastenträger lautet "Bahak". Keine Last scheint zu schwer und zu groß, als dass diese Männer nicht in der Lage wären, sie mit ihrer Muskelkraft durch die engen und überfüllten Straßen Kolkatas (Kalkutta) zu transportieren. Ob auf dem Kopf, an einem Joch über den Schultern, auf Zwei- und Dreirädern oder einer Laufrikscha - ob Möbel, Baumaterialien, Lebensmittel, Bücher, Heizkohle,Waren und Bedarfsgüter aller Art werden geschleppt, gezogen, gekarrt und auf manchmal abenteuerliche Weise von einem Ort zum anderen bugsiert.
Die millimetergenau austarierten und kunstvoll aufgetürmten Lasten sind oftmals unglaublich schwer. Einmal in Bewegung wird jeder Stopp zu einem riskanten Manöver, die beladenen Gefährte anschließend wieder in Fahrt zu bringen.
Bahak, das bedeutet ein Leben als Tagelöhner am unteren Rand der Gesellschaft: Ausbeutung und harte Arbeit für geringe Entlohnung, ein täglicher und gefährlicher Kampf auf den Straßen Kolkatas, wenig Anerkennung für Kraftleistungen, die bis zur Maßlosigkeit erschöpfen können.
Dennoch sind sie unverzichtbar, um die gigantischen Warenströme einer Megametro- pole bewegen zu können, allein deren Straßen in der Regel zu voll, zu verstopft und zu schmal sind, um hierfür in ausreichender Weise Kraftfahrzeuge nutzen zu können.
Am Rand dieser Straßen habe ich für ein paar Wochen ein improvisiertes Studio aufgebaut und einige Lastenträger gebeten, einen kurzen Moment anzuhalten, um sie einzeln und herausgelöst aus der stets in Bewegung befindlichen, geschäftigen Masse von Menschen zu portraitieren: Ausdruck eines bewundernden Staunens über die sichtbaren Kunstfertigkeiten, die das Bewegen von Dingen beinhalten kann.
Die fotografische Arbeit "Bahak" lässt aber auch die Last der Dinge gewahr werden, die sie, jenseits ihres Gebrauchswertes und grundsätzlich, auch sein können
- weit über die Stadtgrenzen Kolkatas hinaus.
"Unschätzbar sind die Wohltaten, die die Zivilisation uns gebracht hat, unermeßlich die Produktivkraft, die alle Arten von Reichtümern hervorbringt und ihren Ur- sprung in den Erfindungen und Entdeckungen der Wissenschaft hat. Unbegreiflich sind die wunderbaren Schöpfungen des mensch- lichen Geschlechts, um die Menschen glücklicher, freier und vollkommener zu machen; ohnegleichen die kristallenen und fruchtbaren Quellen des neuen Lebens, das sich noch immer den durstigen Lippen derer verschließt, die ihren bedrückenden und unwürdigen Aufgaben nachgehen." (Malcolm Lowry)